HBV Jena 90

Tagebuch zur HBV-Schultour 2020

Montag Morgen, 02.03.2020, 7:30 Uhr. Es regnet und noch dazu ist es kalt. Welch ein Glück, dass Handball eine Hallensportart ist. Ich treffe mich mit Sergio und Ben in Lobeda-West und zu dritt schaffen wir es gerade so, alles nach drinnen zu tragen. Kisten mit bergeweise Trikots, Leibchen, Ballsäcke, Markierungen, Flyer, Roll-Ups … Es ist der erste Tag der HBV-Schultour 2020, die nach monatelanger Planung und Absprache heute endlich startet.

Wir stehen zu Beginn direkt vor der ersten Herausforderung, die richtige Spielhalle zu finden. Sechs  Stunden nacheinander sind für einen Besuch der 2. und 3. Klassen der Saaletalschule eingeplant, wobei wir nach fast jeder Stunde die Halle im Sportkomplex wechseln müssen. Als die Schulglocke zur ersten Stunde läutet, sind wir scheinbar aufgeregter als die Kinder, welche lärmend in die Halle stürmen und kaum Anzeichen machen, sich für den Unterrichtsbeginn zu beruhigen. Der Sportlehrer hat sichtlich Mühen, die Klasse zusammenzurufen, damit sich diese um den Mittelkreis einfinden. Er begrüßt seine Schüler, verliert kaum weitere Worte und wirft uns ohne zu zögern ins kalte Wasser, indem er ohne große Vorrede an uns übergibt.

Wir stehen also da, die Blicke der Kinder erwartungsvoll auf uns gerichtet, und ich zweifle daran, ob meine zurechtgelegten Worte die jungen Schüler/innen überhaupt interessieren. Doch kaum das ich anfange, über unsere Sportart, den HBV Jena und die erste Schultour in der Vereinsgeschichte zu erzählen, herrscht plötzlich Ruhe im Kreis. Alle hören aufmerksam zu, fragen interessiert nach und können sich kaum zurückhalten, von ihren bisherigen Berührungen mit dem Handball-Sport zu berichten. Die Augen werden groß, als ich mit Ben einen Torhüter unserer 1. Männermannschaft vorstelle. Und dann gibt es kein Halten mehr, als wir die geheimnisvollen Kartons öffnen und jedem Kind sein persönliches HBV-Schultour-Shirt überreichen.

Nachdem alle einheitlich ausgestattet sind, übernimmt Sergio in gewohnt lässiger Manier und erklärt dem Nachwuchs die Grundregeln des Handballspiels, angefangen beim Spielfeldaufbau über die erlaubte Schrittanzahl bis hin zum korrekten Prellen. Wenn es nach den Kindern ginge, könnten wir vermutlich die gesamte Stunde nur dasitzen und vom Vereinsleben erzählen. Allein dafür sind wir allerdings nicht vorbeigekommen und die Zeit drängt bereits. Schnell sind zum gemeinsamen Erwärmungsspiel zwei Mannschaften eingeteilt. Hier zeigt sich, wer bereits einige Erfahrung im sicheren Umgang mit dem runden Spielgerät hat und beim Bälle erobern besonders zum Sieg des eigenen Teams beiträgt.

Punkt 1 des anschließenden Trainings bildet zu Beginn das Prellen des Balls. Vorwärts und rückwärts, hoch oder tief, links und rechts, geradeaus, im Slalom oder sogar im Kreis - jede unserer Ideen wird begeistert von den Kindern aufgenommen und umgesetzt. Der ein oder andere Hinweis reicht aus und eine anfangs krumme Rückenhaltung wird plötzlich gerade oder steife Handgelenke passen sich der Bewegung des Balls an.

Der nächste Trainingsabschnitt umfasst dann das Passen. In einer langen Gasse durch die gesamte Halle, in welcher sich die Partner/innen gegenüberstehen, nehmen wir gemeinsam mit den Jungen und Mädchen die Grundhaltung ein. Dann den Ball in die Wurfhand, das gegenüberliegende Bein nach vorn und dazu die Ansage, auf den Brustbereich zu zielen. Wir drei gehen sicherheitshalber in Deckung und geben das Signal zum Werfen. Und tatsächlich findet der Großteil der Bälle den Weg in die Hände des Gegenüber. Sergio gibt nun immer neue Wurfvarianten vor, während Ben und ich korrigierend eingreifen, auf lange Wurfarme achten und immer wieder nachfragen, ob wirklich das richtige Bein vorn steht. Rechts und links sind nun mal auch leicht zu verwechseln…

Im dritten Punkt des Trainings dreht sich schließlich alles ums Werfen. Erstaunlicherweise ist fast Jede/r bereit, sich als Hüter ins Tor zu stellen. Ich stehe nur da und fasse mir - sehr zur Freude von Ben - kopfschüttelnd an die Stirn. Schnell die 3-Schritt-Regel vor dem Wurf noch mal erläutert und schon geht es los. Wir versuchen abschließend alle drei Übungen - Prellen, Passen und Werfen - miteinander zu kombinieren. Es ist schön zu sehen, wie jedes Tor ausgiebig bejubelt und jede Parade als Ansporn für den nächsten Versuch gesehen wird.

Auf ein Zeichen des Sportlehrers hin stellen wir fest, dass die Stunde schon fast vorüber ist und wir zum Ende kommen müssen. Dabei haben wir nicht mal die Zeit für ein kurzes Handballspiel gefunden. Den Kindern ist es zum Glück egal. Alle strahlen auf dem gemeinsamen Gruppenfoto, bevor die Bälle eingesammelt und alle Leibchen einsortiert werden. Ich werde direkt von allen Seiten umringt, als ich laut rufe, dass jede/r Teilnehmer/in neben den Shirts noch was von uns bekommt. Selten habe ich erlebt, dass Flyer mit Informationen zum Verein und den Trainingszeiten unserer Jugendmannschaften so viel Begeisterung auslösen. Sergio verteilt derweil Freikarten für ein Spiel „der besten Mannschaft, die es in Jena gibt“, verbunden mit der Möglichkeit, an der Hand einer unserer Spieler einzulaufen. „Ich komme auf jeden Fall“ oder „Lass uns doch mal zusammen zum Training gehen“ murmelnd verschwinden auch die letzten Schulkinder zur Tür hinaus. Wir jedoch schauen auf die Uhr und stellen fest, dass wir in drei Minuten schon in der nächsten Halle am anderen Ende vom Gang bereitstehen müssen. Keine Zeit zum Durchschnaufen also. Schnell ist alles zusammengepackt und die Halle gewechselt. Doch wer dachte, von jetzt an wird es eintönig und der ganze Spaß beginnt wieder von vorn, der irrte sich. Neue Klassen mit immer wieder neuen Gesichter und einer neuen Atmosphäre. Die sechs Stunden vergehen wie im Flug und wir können erst danach die Erlebnisse und Eindrücke des Tages einigermaßen verarbeiten.

Nachdem am nächsten Tag noch mal zwei Klassen der Saaletalschule an unserer Tour teilnehmen, geht es am Donnerstag in die Dualingo Schule. Wir betreten das uns zugewiesene Hallendrittel der POM-Arena und treffen auf fast 40 Kinder. Die anwesende Sportlehrerin teilt uns mit, dass sowohl die 3. als auch die 4. Klassen jeweils als Klassenstufe gemeinsamen Sportunterricht haben. Okay, eine andere Situation als ursprünglich erwartet, aber sicher auch machbar für uns.

In diesem Fall ist erst mal eine Aufteilung in drei Mannschaften dringend nötig. Zum Glück haben wir ausreichend Leibchen und Bälle dabei, um alle zu versorgen. Während die ersten zwei Teams im Erwärmungsspiel gegeneinander antreten und von Sergio und Ben angefeuert werden, teste ich die dritte Gruppe an der Koordinationsleiter. So läuft es mehrere Durchgänge unter ständigem Wechsel, bis die ersten Schweißperlen auf der Stirn zu sehen sind. Was folgt ist unser bereits bekanntes und beständig besser abgestimmtes Programm: Prellen, Passen, Werfen.

Dieses Mal haben wir auch etwas mehr Zeit als sonst, weshalb am Ende noch gespielt werden kann. Was zunächst aussieht wie ein wilder Haufen, der geschlossen dem Ball hinterher stürzt, entwickelt sich schnell zu einem einigermaßen geordneten Handballspiel. Probleme gibt es auf beiden Seiten eigentlich nur noch dabei, den 6-Meter-Kreis zu berücksichtigen. Währenddessen ertönen von der Seitenlinie lautstark die Anfeuerungsrufe der weiteren Mitspieler, welche jede gelungene Aktion frenetisch feiern. Nachdem viele zum ersten Mal einen Handball in den Fingern halten durften, blicken Sergio, Ben und ich immer wieder in begeisterte Gesichter.

In der zweiten Stunde wird dann sogar der Schulleiter von seinen Schüler/innen dazu angestachelt, selbst das Spielgerät in die Hand zu nehmen und sich am Torwurf zu versuchen. Im Anschluss an die Verteilung von Flyern und Freikarten unterhalten wir uns noch mit einer Hand voll besonders interessierter Kinder und animieren sie, einfach mal zum Schnuppern im Vereinstraining vorbeizuschauen. Und siehe da: Als ich am nächsten Morgen mein Mail-Postfach checke, ist bereits die erste Anmeldung eines der Mädchen vom Vortag eingetroffen. Wenn das nicht genügend Motivation für den weiteren Verlauf der Schultour liefert!

Mittwoch und Donnerstag der darauffolgenden Woche sind für die Klassenstufen 2 und 3 der Rautalschule reserviert. Gleich mehrfach treffen wir hier auf bekannte Gesichter aus der schulischen Handball-AG bzw. auch aus dem Training unserer Jugendmannschaften. Noch erfreulicher ist jedoch, dass das positive Bild der vergangenen Tage weiter anhält. Die Kinder saugen all unsere Ansagen auf, geben bei jeder Übung ihr Bestes und sind schließlich überrascht, wie ungewohnt schnell die Sportstunde vorbei ist. Von der Sport-Koordinatorin werden wir mit den Worten „Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr“ verabschiedet. Für uns endet damit die verhältnismäßig kurze Arbeitswoche und wir bereiten uns gedanklich bereits auf die folgende vor, in welcher allein 12 Klassen der Heinrich-Heine-Schule auf dem Programm stehen.

Und dann… Das weitere Geschehen ist im Grunde bekannt. Am Freitag erfolgt der Beschluss zur Schließung aller Schulen Thüringens bis mindestens Mitte April. Ist die gesamte Planung und Organisation der zurückliegenden Monate also für umsonst gewesen? Stauben jetzt die restlichen 700 Trikots bei mir im Keller ein?

Mit Sicherheit nicht!

Auch wenn fast alle Termine und Besuche unserer Schultour für den Monat März eingeplant waren, heißt das noch lange nicht, dass diese Schulen keine Gelegenheit bekommen werden, unsere tolle Sportart näher kennenzulernen. Wie und vor allem wann es weitergeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt zwar noch unklar, aber wir arbeiten daran. Ob einzelne Termine vor den Sommerferien zur Unterstützung von Projektwochen und Sportfesten noch wahrgenommen werden können, wird sich demnächst zeigen. Ansonsten ist die Zuversicht groß, in den Monaten September und Oktober alles Weitere nachzuholen. Die Absprachen hierfür mit den betroffenen Schulen laufen bereits. Dabei sind die Bilder aus den ersten beiden Wochen Motivation genug, alles zu versuchen, unsere Schultour doch noch im geplanten Umfang stattfinden zu lassen.

Bis dahin heißt es abwarten und vor allem gesund bleiben. Dann finden wir auch später die versteckten Handballtalente und können diese für unsere Sportart begeistern. Ich jedenfalls freue mich darauf!

Oli

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